Bulgarien - Die ersten zwei Wochen

Ich muss gestehen, dass ich mir vor der Ankunft in Bulgarien nicht viele Gedanken gemacht habe. Ich wusste nicht genau, was mich erwartet und für was Bulgarien steht.
Ich hatte eine bleiche Vorstellung darüber, dass es ähnlich der anderen Ostblockstaaten werden würde und die Menschen wenig lächeln. Das war es – ich wollte ohne Plan in diese neue Welt eintauchen. Eine Welt ohne Kleiderschrank, ohne die Möglichkeit, wann immer ich möchte, mich zurückzuziehen, das Outfit zu wechseln oder in einer mir bekannten Sprache über die neusten Ereignisse zu sprechen.

Von Sofia nach Plovdiv

In Sofia haben wir direkt nach der Ankunft die Möglichkeit das staatliche Hundeheim zu besuchen, das von der Streunerhilfe Bulgarien unterstützt wird.
Welch eine Begrüßung: Über 1000 Hunde, leidenschaftliche Helfer und das alles am Gassigeh-Sonntag. Faszinierende Geschichten, die wir aufnehmen dürfen. (Das Projekt)
Übernachten können wir kurzfristig bei einem Couchsurfer, Georgi, der uns mit dem hiesigen Nationalgetränk „Rakija“ bekannt macht – den werden wir noch einige Male vor dem Essen an verschiedensten Orten angeboten bekommen.

Einen Tag später sind wir bereits in Plovdiv, wo wir die Schule für Kinder mit Behinderungen besuchen. Vor drei Jahren hatte  ein Feuer eines der beiden Gebäude niedergebrannt. Äußerlich ist alles wieder aufgebaut, doch die Räume können noch nicht benutzt werden, da die Ausstattung fehlt. (Hier geht es zum Projekt)

Burgas und Start

In Burgas am Strand des Schwarzen Meeres beginnen wir offiziell unseren Weg ins Abenteuer. Da die eigentliche Route jedoch 70 Kilometer nördlich liegt, steht uns noch eine kurze Fahrt mit einem alten Microbus bevor, der uns im Nirgendwo mit einigen Handzeichen alleine zurücklässt.

Jetzt beginnt es also wirklich: 1 Jahr lang, 2 Rucksäcke, mit Geschichten, Emotionen und Abenteuern, die gerade nicht mehr als Fantasie sind.

Das Wandern

Es ist schwer, es ist wunderschön, es ist heiß, dann wieder nass, es ist…der erste Tag.
Wir begegnen wilden Pferden und freundlichen Russen, die uns mit einer Flasche Wasser zur Seite stehen.
An der Bucht des Kap Emine lernen wir Vasall Atanasov kennen. Er lebt dort in seinem Wohnwagen und taucht fast jeden Tag mehrere Stunden, wenn er nicht an seiner selbstgebauten, der Physik trotzenden Harpune arbeitet. Der Mann ist bereits 71 Jahre alt und ist mehrmaliger Sieger nationaler und internationaler Tauch- und Schwimmwettbewerbe, darunter auch Teilnehmer der Olympiade 1966.
Das ausführliche Interview wird folgen.

Die nächsten Tage werden immer länger, mit Strecken zwischen 25 und 30 Kilometern, insbesondere mit 15kg auf dem Rücken (bei mir) bzw. 18kg (bei Jan), macht es nicht immer nur Spaß. Landschaften und Tiere erfreuen uns sehr, besonders die Schildkröten sind eine Überraschung.
Einige Abschnitte sind komplett ohne Wasserstellen, dafür helfen uns an zwei Tagen vorbeifahrende Bulgaren aus.
Ein Großteil der Bergdörfer ist muslimisch angehaucht, mit Abendgebet und Gesprächen in türkischer Sprache.

In einem längeren Gewitter wird über Nacht unser Zelt durchnässt. Insbesondere für mich gibt es nicht nur deswegen viele neue Situationen zu durchleben. Ein Wechsel der Gefühle von atemberaubender Freude bis hin zur Angst.
Es ist nicht so, als wäre ich nie wandern oder zelten gewesen, jedoch waren die Ortschaften weniger wild und die Wege führten oftmals zu Hütten. Ganz zu schweigen davon, dass ich wusste, dass ich nach spätestens 6 Wochen wieder zu Hause bin.
Eidechsen, Schlangen, Pferde, Wildschweine sind mir bisher nur vereinzelt begegnet und auch ein Rucksack wog weniger.
Es ist schön Jan dabei zu haben, der mir die einzelnen Geräusche erklären und mich einfach durch sein Dasein beruhigen kann. Es ist sehr spannend bei sich selbst zu beobachten, wie schnell man sich an etwas gewöhnen kann. 10 Tage in einem verschwitzten T-shirt? Irgendwann kein Problem mehr.
Ein Gespräch in dem man sich nur mit Zeichensprache verständigen kann? Amüsanter und lehrreicher, als so mancher „normaler“ Plausch.
Begeistert bin ich noch immer von den freilaufenden Hühnern, Ziegen, Kühnen, Schweinen und Küken Dörfern.

Viel Gestrüpp gilt es zu überwinden, hüfthohe Brennnessel begegnen uns nicht nur einmal.
Leider stürze ich dabei am vorletzten Tag der Etappe und knicke um. Das bestimmt den Verlauf der nächsten 5 Tage.

Kotel

In Kotel, einem Dorf mit etwa 5.000 Einwohnern, stelle ich fest, wie sehr mir die Menschen und abwechslungsreiches Essen gefehlt haben. Wir kommen am Feiertag zu Ehren der Sprache und Bildung, sowie der Erfindung des kyrillischen Alphabets, durch Kyrill und Method. Dies ist auch der Tag des Abschlussballs – somit ist gefühlt die ganze Stadt im Zentrum versammelt.
Am nächsten Tag teilen Jan und ich uns auf – Jan geht weiter entlang der Route und ich fahre zu den Waisenhäusern in Veliko Tarnovo, wo ich meinen Fuß schonen und einem Doktor zeigen werde, denn wenn auch nicht geschwollen, so tut jeder Schritt weh.

Veliko Tornovo

Kennt ihr dieses Gefühl, wenn ihr einen Schritt in einen Ort setzt und merkt, dass er irgendwie bereits Teil von dir ist?
Du schaust dich um, läufst herum und fühlst: Hier will ich bleiben. Hier möchte ich tiefer rein.
Das ist mit mir in Veliko Tarnovo geschehen. 

Nicht zuletzt haben dazu eine Gruppe von Menschen beigetragen, die mich aufnahmen, mit mir lachten und es fast unmöglich machten sich wieder aus dieser wundervollen Stadt weiterzubewegen.
Um die Fürsorge in Waisenhäusern kümmert sich hier Katia und ihr Team  – vom Sprechen lernen, bis zum gemeinsamen Basteln – dafür leben sie als Sozialpädagogen und Psychologen. (Das Projekt)
Ich durfte unterstützen und hatte so einige Male kaum zurückhaltbare Tränen in den Augen.

Was Jan wohl in dieser Zeit erlebt hat?